"Stomp" bringt den Rhythmus nach Deutschland (2024)

Seit der ersten offiziellen "Stomp"-Aufführung 1991 sind mehr als 30 Jahre vergangen. Inzwischen hat die energetische Show, in der eine Gruppe von Performern mit allerlei Alltagsgegenständen ordentlich Rhythmus in die Bude bringt, Fans auf der ganzen Welt. Kurz vor Weihnachten kommt das Ensemble mal wieder nach Deutschland, um hier über mehrere Wochen unter anderem in Baden-Baden, Leipzig und Hamburg für Stimmung zu sorgen.

Um von den beiden "Stomp"-Erfindern ein wenig mehr über die Entstehungsgeschichte und Hintergründe der Show zu erfahren, reiste ntv.de nach Brighton, der Geburtsstätte der beiden und ihres gemeinsamen "Babys", das längst erwachsen ist. Im dortigen "The Old Market" wird "Stomp" nicht nur regelmäßig aufgeführt, die Ensemblemitglieder werden auch auf die Tournee vorbereitet. Der einstige Punk-Drummer Luke Cresswell und sein damaliger Bandkollege Steve McNicholas verraten unter anderem, was es braucht, um ein guter "Stomp"-Performer zu werden und welche regionalen Unterschiede das Publikum mitbringt.

ntv.de: Erinnert ihr euch noch an den Moment, in dem die Idee zu "Stomp" geboren wurde?

Luke Cresswell: Ich bin Schlagzeuger, und für mich fing es im Grunde schon in jenem Moment an, als wir unsere Band starteten. Ich spielte ständig auf Mülleimern und anderem Zeug, das gerade da war. Ich habe irgendwann gemerkt, dass da was dran ist. Also begann ich, Solosachen zu machen oder auch etwas zu zweit, bis wir zum ersten Mal für eine Wohltätigkeitsveranstaltung die Besen dazunahmen. Da wurde es richtig interessant. Steve und ich haben darüber gesprochen, ob es nicht großartig sei, das öffentlich aufzuführen. Das Gefühl aber war eben schon immer da. Bei mir zumindest.

Steve McNicholas: Wir haben damals zusammen in einer Straßenband gespielt, muss man dazu sagen. Ich spielte Gitarre, Geige, Mandoline ... und Luke war eben für die Percussions zuständig. Wir haben überlegt, was passieren würde, wenn wir einen Laternenpfahl dazu nehmen, ein Fahrrad an einem Geländer befestigen, um darauf zu spielen und so weiter. Es war immer etwas Besonderes und irgendwie elektrisierend für das Publikum. Luke hat für diesen Charity-Gig ein Solostück entwickelt, bei dem er nur mit Händen und Füßen gespielt hat, aber eben auch auf Mülleimern zum Beispiel. Da dachten wir, dass man daraus unbedingt eine ganze Show machen sollte.

Das ist inzwischen 30 Jahre her. Hättet ihr damals damit gerechnet, dass dieser Plan so gut aufgeht?

McNicholas: Nein. Wir dachten seinerzeit, wir machen das zwei bis drei Jahre, wie alles, was wir bis zu diesem Zeitpunkt getan hatten.

Cresswell: Wenn du ein Theaterstück schreibst, weißt du, dass es eine gewisse Lebensdauer hat. Ebenso, wenn du Musiker bist und ein Album aufnimmst. Das ist bei "Stomp" anders. Es fühlt sich mehr wie ein Teil von dir an. Es ist mehr ein Gefühl als ein fertiges Theaterstück. Wir ändern immer noch Dinge ab.

Irgendwann hat es "Stomp" aus Brighton heraus geschafft, geht sogar jetzt wieder auf Tournee. Wie ist die Idee hierzu entstanden?

Cresswell: Wir dachten, wenn die Leute in England und Schottland es mögen, warum dann nicht auch woanders? Irgendwann sind wir damit sogar nach Australien gereist. Wir wollten nach Berlin, Paris, New York ... Davon träumt man automatisch, wenn man Künstler ist. Das sind schließlich ikonische Städte.

Reagieren die Zuschauer in den verschiedenen Städten unterschiedlich auf eure Performance? Die Deutschen klatschen ja beispielsweise gern mit, allerdings nicht immer im Takt ...

Cresswell: Eigentlich gibt es kaum Unterschiede. Aber klar, in Brasilien atmen die Leute Rhythmus quasi. Das britische Publikum ist ein bisschen zurückhaltender. Und in Deutschland wollen sie einfach eine gute Zeit haben und machen mit. Ein bisschen nach dem Motto: "Ich habe dafür Geld bezahlt, jetzt habe ich auch richtig Spaß."

McNicholas: In England denken sie eher: "Ich habe dafür Geld bezahlt, jetzt unterhaltet mich auch anständig." (lacht)

Ihr seid mit "Stomp" auch in Tokio. Das ist nicht das erste Mal. Wie ist es also um das japanische Publikum bestellt?

Cresswell: Stimmt, wir waren schon ein paar Mal in Japan und sind nach einer langen Pause jetzt wieder in Tokio. Das war dort immer großartig. Es ist wirklich ein ganz anderes Publikum. Die Leute sind sehr höflich und sich nicht sicher, ob sie lachen sollen oder nicht. Sie machen sich Sorgen, dass sie uns beleidigen könnten. Aber wenn sie merken, dass sie lachen dürfen, tun sie das wie verrückt. Das ist wirklich schön.

McNicholas: Es ist ein bisschen, wie wenn man zu einem klassischen Konzert geht. Wenn du nicht an die Traditionen dort gewohnt bist, weißt du nicht, was du tun und wann du klatschen sollst. So verhält es sich auch bei "Stomp", die Zuschauer wissen manchmal nicht recht, was sie machen sollen. (lacht)

Cresswell: "Stomp" war eben schon immer gut darin, Leute ins Theater zu holen, die sonst nicht ins Theater gehen.

Ihr habt jetzt wieder für die Tour gecastet. Was muss ein "Stomp"-Member mitbringen? Ist es von Vorteil, Musiker zu sein, im besten Falle Schlagzeuger, oder sind doch die Tanz-Skills wichtiger?

Cresswell: Es ist nicht wirklich wichtig, welchen Background du hast. Tänzer zu sein, kann hilfreich sein, und auch, wenn du Schlagzeugspielen kannst, mag das helfen. Aber eine Garantie ist es ebenso wenig wie eine Bedingung. Manchmal tauchen ganz unerwartet Leute auf, die das großartig machen, obwohl keiner damit gerechnet hätte. Ich denke, man muss es wollen. Du kannst der beste Schlagzeuger der Welt sein, aber das ist nicht dasselbe, wie "Stomp" zu machen, denn du musst ja nicht nur spielen. Du musst mit anderen auf der Bühne interagieren.

Wie lange dauert im Durchschnitt, bis alles sitzt? Weite Teile der Show sind ja schon sehr komplex ...

Cresswell: Normalerweise dauert es etwa sechs bis acht Wochen. Ich beschreibe es wie das Lernen einer Sprache. In der Zeit lernst du die Vokabeln, dann dauert es noch mal zwei Jahre, bis du dich in dieser Sprache unterhalten kannst. Wir haben immer sieben Leute in der Besetzung, die die Show wirklich gut kennen, damit die Neuen nach und nach alles lernen und wachsen können.

Und sie müssen irgendwann alle Rollen spielen können, richtig?

Cresswell: Genau, sie tauschen die Rollen untereinander. Jeder Abend ist anders, denn jeder interpretiert die jeweilige Rolle auf seine Art.

Ihr stammt beide aus Brighton, die Show ist ebenfalls hier geboren. Wie viel von dieser Stadt steckt also in "Stomp"?

Cresswell: "Stomp" kam aus der Kultur der damaligen Zeit, und die bestand aus einer Art Post-Punkrock und experimentellem Theater. Die Leute suchten nach neuen Wegen, Kunst zu machen. Aber sicher hätte "Stomp" auch woanders entstehen können. In Amerika gibt ja zum Beispiel die "Blue Man Group". Sie hatten ähnliche Einflüsse wie wir damals.

Nicole Ankelmann ist Redakteurin im Ressort Unterhaltung. Dabei unterhält sie sich nicht nur gern, sondern mag vor allem Musik von Alternative Rock über Indiefolk bis Metal und liebt anspruchsvolles Arthouse-Kino ebenso wie gut gemachte Blockbuster.

Folgen: "Stomp" bringt den Rhythmus nach Deutschland (4)

McNicholas: Was aber ganz sicher einzigartig britisch bei uns ist, ist der Humor und die Absurdität vieler Szenen. Das ist das Vermächtnis von Leuten wie Monty Python oder auch Spike Milligan und "Goon", einer Comedy-Radioshow, die Vorläufer davon waren. Diese Absurdität des britischen Humors ist einzigartig. Damit sind wir in gewisser Weise verwandt. Als wir anfingen, zusammenzuarbeiten, war ich parallel noch in einer Comedy-Gruppe. Es gibt nämlich eine wirklich gute Comedy- und Musikszene hier. Auftritte auf der Straße waren in Großbritannien verboten, es gab also nicht viele davon. Nur Brighton war ein guter Ort dafür. All diese Dinge kamen so zusammen.

Ihr habt "The Old Market" als feste "Stomp"-Location gekauft. War euch das eine Herzensangelegenheit?

Cresswell: Steve und ich haben uns damals hier zum ersten Mal getroffen. Seinerzeit wurden die Räumlichkeiten noch anders genutzt. Wir probten hier, nahmen Musik für andere auf, einen Filmsoundtrack mit einem Orchester ... Wir lieben diesen Ort. Als er zum Verkauf stand, war uns klar, dass er verschwinden würde, wenn wir nichts unternehmen. Wir bekamen das Geld und haben das Gebäude gemeinsam erworben. Nun ist es die Heimat von "Stomp". Es ist aber mehr eine Spendenaktion für das Theater, denn eigentlich ist allein die Bühne viel zu klein. Doch das Theater hat die perfekte Größe für neue Ideen, neue Künste, andere Darsteller. Künstlerisch ist es großartig, finanziell eher nicht so. (lacht)

Mit Luke Cresswell und Steve McNicholas sprach Nicole Ankelmann

Die "Stomp"-Tour startet am 22. Dezember in Baden-Baden. Weitere Stationen sind Mannheim, Dortmund, Frankfurt, Bremen, Basel, Leipzig, Hamburg und Linz. Tickets gibt es unter anderem hier.

"Stomp" bringt den Rhythmus nach Deutschland (2024)
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